“Basketball ist für eine Stadt wie Tübingen die perfekte Sportart” – Jack Lohrmann im Gespräch

22 Okt 2019

Wer den Tübinger Basketball seit vielen Jahren verfolgt, dem ist auch Jack Lohrmann ein Begriff. Der gebürtige New Yorker ist gegenwärtig mit stolzen 88 Jahren der älteste Dauerkarten-Besitzer bei den Tigers Tübingen in der BARMER 2. Basketball Bundesliga. Seit nunmehr 36 Jahren unterstützt und fiebert der studierte Musikwissenschaftlicher mit den Tigers mit.

An diesem Dienstagvormittag haben wir den Dauerkartenbesitzer im Block A3 zum Trainer der Raubkatzen herzlich eingeladen. Schon vor dem vereinbarten Termin war Lohrmann bereits umtriebig und wissbegierig in der Trainingshalle der Raubkatzen im Französischen Viertel gegenwärtig und tauschte sich zunächst primär mit seinen Landsleuten aus. Viele interessante, wenn auch kurz Gespräche sind entstanden. Alle Spieler und das Trainerteam um die Trainer Doug Spradley und Andy Hipsher waren beeindruckt von seinen Erzählungen aus seiner langen Vergangenheit. Einige markante Jahre von Lohrmann im Überblick:

Jack Lohrmann wurde am 21. Juli 1931 in New York / USA geboren, bis heute hat er die amerikanische Staatsbürgerschaft inne. Im Jahr 1938 ging es für Lohrmann als Sohn von Donauschwaben in das ehemalige Jugoslawien. Mit dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges konnte die Familie nicht mehr zurück in die USA, es folgten unsichere Jahre in Ungarn, Österreich und der Tschecheslowakei. Eine Rückkehr war erst im Jahr 1946 möglich. Von 1950 bis 1954 studierte Lohrmann Musikwissenschaften in New York, von 1955 bis 1957 war er als einfacher Soldat in Mannheim stationiert. Nach der Rückkehr nach Deutschland, 1958, war er sechs Jahre an der Uni Tübingen. Seit inzwischen 60 Jahren lebt Lohrmann in Tübingen. Im Interview gibt der stolze New Yorker Einblicke rund um den Basketball in Tübingen und in den USA.

Herr Lohrmann, erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Basketballspiel in Tübingen?

Natürlich, das war ein Heimspiel in der Saison 1983/1984. Damals natürlich noch in der Uhlandhalle. Es war ein Zufall, dass ich zu dieser Begegnung kommen konnte, denn zu dieser Zeit war ich beruflich sehr viel unterwegs. Mein Kommen sollte ich aber nicht bereut haben. Vor allem Tom Street ist mir bis heute markant im Kopf geblieben. Er war ein sehr eleganter Spieler, dem ich gerne zugeschaut habe. Auch an Richard Behnisch und an Thomas Unger kann ich mich noch gut erinnern. Das war der Start meiner Fan-Unterstützung für den Tübinger Basketball.

Welcher Spieler und welches Spiel ist Ihnen prägend in Erinnerung geblieben und warum?

Jack Lohrmann (rechts) im Gespräch mit Trainer Doug Spradley.

Eine gute Frage. In deutlich über 30 Jahren gab es in Tübingen sehr viele gute Spieler. Aber Reggie Redding war für mich einer der besten Akteure überhaupt. Er hatte ein wahnsinnig gutes Spielverständnis und individuell auch sehr gute Fähigkeiten und Fertigkeiten. Was ich jedoch kritisieren muss, dass er erst in der zweiten Halbzeit so richtig aufgetaut ist. Dann aber richtig. Die Spieler Branislav Ratkovica und Romeo Travis habe ich aber auch immer sehr gerne verfolgt. Sie konnten in jedem Spiel den Unterschied ausmachen.

Basketballspiele habe ich in der Uhlandhalle und nun in der Paul Horn-Arena natürlich sehr viele gesehen. Jeder Sieg hat mich stets erfreut, da ich ein leidenschaftlicher Fan der Tigers bin. Die Partie zwischen Tübingen und Bamberg im Januar 2010 habe ich aber noch genau im Kopf. Travis gelang nach perfekter Vorarbeiter von Ratkovica der Buzzer Beater zum Sieg gegen den Favoriten aus Bamberg. Das war irre, die Fans haben getobt – es war ein unvergesslicher Moment.

Wie und entstand ihre Liebe zum Basketball überhaupt?

Nun gut, ich komme aus New York und habe zwischen 1950 und 1954 Musikwissenschaft an der SUNY State University of New York studiert. Als Jugendlicher habe ich viel Fußball gespielt und wurde auch zweimal Stadtmeister in New York. Als Zuschauer war ich immer Baseball-Fan, in dieser Zeit waren die New York Yankees weltweit das Maß aller Dinge. Doch mit meiner Zeit am College hat man auch das eigene Basketballteam verfolgt, wenngleich unser Team damals nicht besonders erfolgreich war. In dieser Zeit stand aber trotzdem die Begeisterung für den Basketballsport.

Sie haben seit inzwischen 36 Jahren eine Dauerkarte bei den Tigers. Herzlichen Dank für diese treue Unterstützung. Warum hält diese Verbindung nun schon über drei Jahrzehnte an?

Basketball ist für eine Stadt wie Tübingen die perfekte Sportart. Unsere schöne, alte Stadt ist geprägt von vielen jungen Menschen aus der ganzen Welt. Viele Sprachen werden hier gesprochen. Das ist toll und auch der Grund, warum ich hier auch heimisch geworden bin. Der Basketball ist einfach so faszinierend, die Fans sind klasse und unterstützen das eigene Team in besonderer Form. Ich würde mir wünschen, dass es noch mehr Nachahmer wie mich geben würde, die mit voller Begeisterung in die Arena kommen. Das größte Gewicht hat dabei das jugendliche Image und die Altersstruktur der Stadt, das Tübingen zum idealen Standort gerade für diese Sportart macht. Gleichzeitig bieten die Spiele die Möglichkeit, Menschen zu begegnen mit denen man sonst nicht ins Gespräch kommt. Leider wird das durch die Lautstärke in der Halle erschwert.

Wie sehen Sie die Tigers-Mannschaft in dieser Saison?

Auch mit Besnik Bekteshi unterhielt sich der rüstige 88-Jährige.

Ich denke, wir haben eine junge und hungrige Mannschaft, gepaart mit einem sehr guten Trainer. Er hat bereits mehrfach bewiesen, dass er es kann. Ich verfolge jedes Spiel, auch im Internet auf airtango, insofern der Stream funktioniert (lacht). Unser Start mit vier Siegen aus sechs Begegnungen ist ordentlich. Gegen Heidelberg hatte ich mir mehr erwartet, Chemnitz war an diesem Tag ein Gegner, der nicht zu schlagen war. Auch als Tigers-Fan muss ich den Hut vor dem Gegner ziehen und sagen: das war spitze!

Wo landen die Tigers nach der Hauptrunde?

Das ist aktuell schwierig zu sagen. Wir haben erst sechs Spiele gespielt, viele Teams kenne ich noch nicht. Aktuell würde ich sagen, dass wir mit Platz sechs in die Playoffs einziehen werden.

Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft des Tübinger Basketballs?

Eine schöne Frage. Ich wünsche mir, dass die vielen Unternehmen in der Region Neckar/Alb den Tübinger Basketball weiter und insgesamt noch mehr unterstützen würden. Diese immer wachsende Sportart hat es auf jeden Fall verdient. Mit einer guten wirtschaftlichen Basis sollten wir den Angriff auf die erste Liga nochmals starten. Da gehört dieser Standort mit dieser langen Geschichte einfach auch hin. Persönlich wünsche ich mir, dass ich noch lange bei guter Gesundheit bin und das Team in den nächsten zehn Jahren noch unterstützen kann.

Gebt uns keinen Korb als Tübinger, viele Körbe durch die Spieler und volle Körbe mit Geld – oder mindestens den Kauf einer Dauerkarte wie ich mit 88!

Verfolgen Sie den Basketball in den USA auch noch?

Ehrlich gesagt, nicht mehr wirklich. Als New Yorker schaue ich immer mal wieder, wie die Knicks gerade so stehen. Jedoch kein Verglich zu Schauspieler Woody Allen, der ein glühender Anhänger seiner Mannschaft ist.

Welchen Stellenwert hat der Basketball derzeit in den USA?

Handshaking zwischen dem Gast und Co-Trainer Andy Hipsher (rechts).

Ich denke, Basketball wird den American Football in naher Zukunft als beliebteste Sportart in den USA ablösen. Die vielen Skandale und tragischen Unfälle werden den Sport über lange Sicht nicht gut tun. Auch Dirk Nowitzki hat jüngst in einem Interview erzählt, dass seine Kinder kein American Football spielen werden. Zu groß ist die Angst und die Gefahr vor ernsthaften Verletzungen. Dies wird dem Basketball zugute kommen, der gegenwärtig die Nummer zwei in den Staaten ist. Baseball hat über die Jahre hinweg auch immer weiter abgenommen.

Jack Lohrmann, vielen Dank für das Gespräch.

von Tobias Fischer