“Der Fokus diese Saison wird auf uns selbst liegen” – Robert Wintermantel im Interview
Aufbruchstimmung in Tübingen. Nach dem Abstieg aus der easyCredit BBL arbeiten Geschäftsführer Robert Wintermantel und Head Coach Aleksandar Nadjfjei mit viel Energie an der Neuausrichtung des Kaders für die kommende Saison. Im Interview spricht Wintermantel über den Verlauf der Offseason, den neuen Kader und die Zusammenarbeit mit dem neuen Trainergespann.
Robert, wie zufrieden bist du mit dem bisherigen Verlauf der Offseason?
Bisher läuft es gut. Vor allem mit der Planung, die wir gemacht haben bin ich zufrieden. Zum 15. Juli mussten wir wieder Lizenzunterlagen bei der Liga einreichen, das ist gut gelaufen. Dann sind wir, was die Kaderplanung angeht, schon recht weit. Wir brauchen nur noch zwei Spieler, das ist zu diesem Zeitpunkt ein guter Wert.
Für Aleksandar Nadjfeji ist es die erste Position als Cheftrainer. Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen euch?
Es erinnert mich durchaus an die Anfangszeiten mit Igor Perovic – und das in einer positiven Weise. Der Unterschied ist jedoch, dass wir mit David Rösch einen Gegenpol zu Sasa haben. Weil ich sehe Sasa als jemanden, der intuitiv als Trainer vieles richtig macht und machen wird. Und dann haben wir jemanden wie David, der mehr von der wissenschaftlichen Seite kommt und die Beiden ergänzen sich da hervorragend. Das macht es auch für mich dann ein wenig einfacher, was ich bereits bei den ersten Verpflichtungen gemerkt habe. Die Spieler, welche die Trainer bisher wollten, waren immer nachvollziehbar und ich konnte immer mitgehen und dann verhandeln. Deshalb bin ich mit dem Gespann, das wir zusammengestellt haben, sehr zufrieden.
Wenn man die bisherige Kaderzusammenstellung genauer betrachtet, fällt auf, dass ihr andere Schwerpunkte als in den letzten Jahren setzt. Welche sind dies genau?
Wir haben ganz klar gesagt, dass wir keine Talente, die in der easyCredit BBL zum Einsatz gekommen sind und jetzt bei uns den Durchbruch schaffen sollen, verpflichten wollen. Wir gehen in eine Liga, in der wir uns seit 14 Jahren nicht mehr bewegt haben und haben deshalb darauf gesetzt, Spieler zu holen, die alle diese Liga kennen und die alle auch in dieser Liga bereits erfolgreich gespielt haben. Ich meine das nicht im Bezug zu absoluten Überfliegern, sondern dass alle diese Spieler ihre Rollen gut ausgefüllt haben. Und das ist eigentlich das, was wir suchen. Wir wollen ein Team aufstellen, in dem jeder seine klare Rolle hat und diese zuverlässig erfüllt. Gerade wenn man um den Aufstieg mitspielen will, ist es unabdingbar, dass jeder seine Rolle kennt, diese akzeptiert und dann auch voll und ganz ausfüllt.
Der Kader besticht bisher vor allem mit Spielern, die durch ihre Einstellung und ihren Kampfgeist überzeugen können. War das ein Kriterium bei der Spielerauswahl?
Wir haben versucht, Spieler ausfindig zu machen, die in einer interessanten Phase ihrer Karriere stehen und die vom Typ her eher aggressive Spieler sind. Alle diese Spieler bringen eine gewisse Physis mit, sind kräftig. Selbst Besnik, der der dünnste von allen ist, ist jemand, der dennoch sehr kräftig ist und wirklich hart spielt. Auch die beiden Ausländer, die wir bis dato verpflichtet haben, sind kräftige Jungs, vor allem Reed Timmer, der einen richtig starken Körper mitbringt. Und das ist durchaus eine Marschrichtung, denn wir hatten das Gefühl, dass wir vor allem in diesem Bereich letztes Jahr nicht konkurrenzfähig genug und als Mannschaft im Gesamten oft körperlich zu weich und unterlegen waren.
Diese physische Unterlegenheit zeigt sich vor allem im defensiven Bereich. Zur Defensive zählt aber freilich noch mehr. Hier soll sich einiges ändern, was man sich natürlich auch schon in den Jahren zuvor vorgenommen hatte. Was macht dich zuversichtlich, dass die Defensive unter Nadjfeji deutlich besser sein wird?
Wer Sasa kennt, auch als Spieler, weiß, dass er jemand ist, dem Verteidigung extrem, aber auch extrem wichtig ist. Wir haben oft darüber gesprochen, dass der Fokus diese Saison wirklich auf uns selbst liegen wird und nicht auf dem Gegner. Wir werden uns deshalb hauptsächlich damit beschäftigen, inwieweit wir unsere Defensivkonzepte können und umsetzen und diese verfeinern, anstatt ständig diese ewige “Totanalysiererei” der Gegner. Das ist etwas, da gehe ich absolut mit Sasa mit und ich glaube, dass wir eine sehr aggressive Verteidigung sehen werden, weil da ist er vielleicht ein bisschen alte serbische Schule.
Jetzt fehlen noch zwei Spieler. Man hört in Fankreisen immer wieder das Wort des benötigten Krachers umherschwirren. Wie siehst du diesen Begriff?
Einen Kracher kann man natürlich verschieden sehen. Das kann einer sein, der zum Beispiel in der BBL oder höher gespielt hat oder schon einen gewissen Namen hat und wir den dann zu uns lotsen. Der muss dann aber nicht zwingend besser spielen, als jemand, der vom College kommt oder aus einer anderen, vielleicht kleineren Liga. Was damit vermutlich gemeint ist, ist jemand mit vielleicht ein bisschen mehr Erfahrung, der auch absoluter Go-to-Guy sein kann. Uns geht es generell darum, sehr gute Spieler zu finden, die passen. Jetzt kommt natürlich mit dem Aufbauspieler eine sehr spannende Position, die ist extrem wichtig und da muss man eventuell auch etwas Geduld haben.
Dann werden wir doch etwas konkreter: Es fehlen noch die Positionen eins und drei. Was für Typen stellt ihr euch da vor?
Der fehlende Forward muss nicht zwingend ein exzellenter Schütze sein. Unser bisheriger Kader bringt da eigentlich schon ein sehr gutes Paket mit. Deshalb suchen wir nach jemanden, der athletisch ist und gut zum Korb penetrieren kann. Wir wollen da relativ viel, aber eben nicht das komplette Paket. Wenn jemand gut rebounden, gut verteidigen, gut zum Korb ziehen, noch einen sehr guten Wurf und dann auch noch eine gewisse Größe und entsprechendes Gewicht mitbringen soll, dann wird es natürlich schwierig, aber wenn der zum Beispiel nicht der allerbeste Dreierschütze sein muss, wird der Markt schon etwas größer. Deshalb wird diese Position ein bisschen einfacher zu besetzen sein als die Position eins. Dort suchen wir jemanden, der vor allem das Spiel organisieren kann, eine gewisse Größe mitbringt und kräftig ist, natürlich auch scoren kann, aber eben nicht die Hauptlast dort tragen muss.
Jetzt sind es noch drei Wochen bis Trainingsauftakt. Glaubst du, dass der Kader bis dahin steht oder kann es auch sein, dass man sich gerade bei den letzten beiden Positionen etwas mehr Zeit nimmt?
Klar, das ist bei jeder Mannschaft eigentlich immer das Ziel. Weil eigentlich will man die Mannschaft vom ersten Tag an zusammen haben, damit sich da eine Einheit formen kann. Aber wir gehen die letzten Positionen ganz unverkrampft an. Wir haben ziemlich genaue Vorstellungen, was wir wollen. Und da lassen wir uns keinen Druck machen. Ob der Spieler dann in der ersten Woche gleich dabei sein muss? Wäre schön, aber muss nicht.
Abschließend: Die Rolle der Tigers hat sich mit dem Abstieg etwas geändert. Waren wir zuvor immer der Underdog, gehören wir jetzt zu den Gejagten. Wie reizvoll ist das und gibt es etwas wie Aufbruchstimmung ?
Ja, absolut! Wir sind mit sehr viel Elan in den Sommer gestartet und haben viel bewegt. Das sieht man glaube ich auch schon ein wenig daran, was die Internetseite angeht und wir werden da auch in Sachen Kommunikation weiter nachlegen. Wir alle in der Geschäftsstelle sind sehr positiv gestimmt und wollen endlich wieder ein erfolgreiches Team betreuen. Und das merkt man auch in den Sponsorengesprächen. Zu erleben, wie stark der Rückhalt ist und wie wir da unterstützt werden, ist wirklich ein tolles Gefühl. Da gilt wirklich jedem Partner ein besonderer Dank. Wir gehen Etatmäßig in eine gute Richtung und ein starker Stamm an Sponsoren hat uns die Treue gehalten.
Und klar, wir sind der einzige Absteiger aus der ersten Liga, der auch in der ProA spielt. Das macht uns automatisch erstmal zum Gejagten, das muss man dann aushalten, aber das muss auch unser Anspruch sein. Was dann am Ende aber passiert, das kann keiner sagen – das ist dann mit Playoffs keine Sache, die man einfach mal kalkulieren kann. Aber ich bin guter Dinge!