Die Nadjfeji-Story – Teil 2: Die verzweifelte Jagd nach dem ersten Titel

02 Jun 2018

Bonn 2001, der Bundestag hat seinen Umzug nach Berlin bereits abgeschlossen, einige Ministerien bleiben. Zwischen 1949 und 1999 war die Stadt am Rhein Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland und auch danach eine Stadt mit großem politischem und kulturellem Gewicht! Auch Nadjfejis Heimatstadt Belgrad ist Hauptstadt, liegt am wohl bedeutendsten Fluss Europas, der Donau. Als Aleksandar Nadjfeji zu jener Zeit seine erste Profistation bei den Telekom Baskets Bonn antrat, war die Umstellung im ersten Moment dennoch groß.

Die Nadjfeji-Story: Teil 1

Denn mit Belgrad ist Bonn wahrlich nicht zu vergleichen. „Belgrad hat deutlich über eine Million Einwohner, alles ist irgendwie miteinander verwoben, etwas chaotisch. Ich verließ zum ersten Mal meine Heimat. Bonn war ganz anders. Deutschland war ganz anders.“ Und noch etwas sollte anders sein. Zum ersten Mal wartete Nadjfeji auf seine Familie, nicht umgekehrt. Es war kein Quartier auf Zeit, aus dem er nach ein paar Wochen wieder nach Hause zurückkehrt. Bonn war die Zukunft. Noch nie waren die Nadjfejis so lange voneinander getrennt. Probleme mit dem Visum verzögerten die Einreise von Marija und den Kindern. Damals keine Seltenheit, an einen EU-Beitritt war nach Jahren des Krieges noch nicht zu denken. Nach drei Monaten kamen dann auch Marija und die beiden Söhne Milos und Nemanja. „Die Zeit alleine war hart. Es waren zwar nur drei Monate, aber als sie dann da waren, hat mir das sehr geholfen.“

Nadjfeji tanzt sich in die Herzen der Fans

Die Familie half auch, als Nadjfeji den Sprung in den EM-Kader Jugoslawiens verpasste. „Es war für jeden Spieler schwer, der es nicht geschafft hat. Jeder Spieler hat am Anfang seiner Karriere diesen einen Traum, und wenn man ihn dann nicht verwirklichen kann, ist das natürlich hart. Im Nachhinein ist das aber nicht ganz so schlimm, da es in diesem Moment einfach bessere Spieler gab als mich.“ In der Türkei holt sich Jugoslawien den EM-Titel, ohne Nadjfeji. Feiern darf er dennoch, wenn auch ein paar Nummern kleiner. Auch bei der Sommeruniversiade in Peking holt Jugoslawien Gold, mit Aleksandar und Bruder Stevan. Als die EM beginnt, trainiert Sasa bereits mit den Baskets – das Debüt in der Basketball Bundesliga ist nicht weit entfernt. Bonn, die neue Heimat, die große Chance. Die Nadjfejis integrieren sich schnell, knüpfen Kontakte, schließen Freundschaften. Der Rheinländer gilt nicht nur als herzlich und weltoffen, er ist es auch. Die Sehnsucht nach der Großstadt hält sich in Grenzen, Köln liegt nur 30 Autominuten entfernt, eine Millionenstadt, wenn auch nicht mit Belgrad vergleichbar. Aber das ist für Nadjfeji nicht so wichtig. Für die junge Familie ist Bonn ein Glücksfall. „Ich habe kein Problem damit, in kleinen Städten zu leben. Das hat auch viele Vorteile, vor allem für eine junge Familie.“ Auch sportlich passt es.

Am 3. Oktober dann der große Moment. Das erste Spiel in der BBL, ausgerechnet gegen Köln. Das Wort „Derby“ musste man Nadjfeji nicht erklären. Wer aus Belgrad stammt, weiß, was das ist, weiß, welchen Stellenwert das für den eigenen Verein und die Fans hat. Nadjfeji überragt: 28 Punkte, sieben Rebounds. Besser hätte es nicht laufen können – die Fans feiern den Derbysieg und Aleksandar Nadjfeji. Der wird schnell zum absoluten Publikumsliebling. Der tanzende Forward passt, sportlich und menschlich. Auch in der Tübinger Uhlandhalle ist Nadjfeji zu Gast. Dass er einmal für Tübingen seine Basketballschuhe schnüren würde, in der Saison 2001/2002 noch nicht vorstellbar. Die Tübinger, damals noch Wired Minds, haben in beiden Duellen keine Chance. Das haben gegen die Baskets in dieser Saison aber nur wenige Teams. Bonn schließt die Saison mit nur sechs Niederlagen als Tabellenzweiter ab, im Halbfinale der Playoffs ist jedoch Endstation, ausgerechnet gegen den aufstrebenden Rivalen aus Köln. Für Nadjfeji dennoch ein erfolgreiches Jahr, er ist da angekommen, wo er immer ankommen wollte.

Bonn sollte für die nächsten Jahre die zweite Heimat werden. Tochter Nevena erblickt 2002 das Licht der Welt – für den Familienmenschen „Sasa“ Nadjfeji ist das Glück perfekt. „Die Geburt meiner Kinder waren die schönsten Momente meines Lebens. Kein sportlicher Erfolg kann dagegen ankommen.“ An sportlichen Erfolgen sollte es in Zukunft nicht mangeln, in Bonn entwickelt sich Nadjfeji zu einem der besten Spielern der Liga. Drei Mal in Folge wird Sasa ins ALLSTAR Team berufen. Individuell läuft es großartig. Auf einen Titel warten Nadjfeji und seine Bonner jedoch vergeblich. 2003 war in den Playoffs und im Pokal im Halbfinale Schluss. 2004 wieder kein Titel, erneut endet die Saison im Halbfinale der Playoffs. „Das war nicht einfach. Wir waren immer knapp davor, am Ende hat aber immer das letzte Stück gefehlt.“

Das Ende einer Ära

Die Saison 2004/2005 sollte dann alles verändern. Bonn startet mit acht Siegen in Serie stark in die Saison, doch dann beginnt die gefühlte Berg – und Talfahrt. Die Bonner finden keinen Rhythmus, auch Nadjfeji nicht – eine Verletzung wirft den Forward wieder zurück. Sechs Wochen kann „Sasa“ nur zuschauen. Lediglich 23 Spiele absolviert Nadjfeji in der Saison, auch die Punkteausbeute ist so niedrig wie nie zuvor im Bonner Trikot. Bei noch immer 13,8 Punkten im Schnitt mag das seltsam klingen, doch in seinen drei Jahren zuvor erzielte Nadjfeji im Schnitt 16,9 Zähler. Auch im Rebound ist Nadjfeji deutlich gehemmt – 5,3 gesammelte Abpraller – das sind pro Spiel 1,2 weniger als in den Jahren zuvor, und das bei gleichbleibender Spielzeit. „Meine Statistiken waren mir egal – frustrierend war, dass wir als Mannschaft nicht gut gespielt haben.“ Bonn beendet die Hauptrunde auf einem undankbaren neunten Platz, zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte schauen die Rheinländer in den Playoffs zu. Im Pokal hatten Nadjfeji und seine Baskets derweil die Hand so nahe am Pott wie nie zuvor. Erzrivale Alba Berlin ausgeschaltet, im Halbfinale gegen Top 4-Ausrichter Frankfurt den Grundstein gelegt, nur noch ein Sieg bis zum ersten Titel. Wieder gegen den Nachbarn aus Köln – wieder jubelt der Lokalrivale, “das war schmerzhaft…”.

Krunic muss nach der Saison gehen – auch Najjfeji wird den nächsten Schritt machen. Will nicht nur um Titel mitspielen, sondern auch Titel gewinnen. Der Abschied fällt nicht leicht, Nadjfeji hat Bonn in sein Herz geschlossen und die Bonner ihren „Sasa“. Doch die Ära Nadjfeji in Bonn wird enden. Der Weg führt nicht weit weg – wenigstens nicht Berlin, werden sich viele Bonner gedacht haben, aber Köln steht bei den Bonner Fans auch nicht gerade hoch im Kurs.

von Tobias Fischer